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Freitag, 31. März 2017

zarter Frühling





zarter Frühling
das frühgeborene Kind
träumt ein Lächeln




(filmy spring / the premature baby / dreams a smile)

Silvia Kempen




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Frühling

I

Oben lichte Bläue,
Unten alles hoffnungsgrün. -
Rot wie Liebe, blau wie Treue,
Frühling, deine Blumen blühn!

Junge Schmetterlinge
Streifen sorglos drüber her. -
Ach die Welt wär' ganz geringe,
Wenn der Augenblick nicht wär'!

Hört's die holde Stunde,
Daß ich von der Zukunft red':
Schweigefinger auf dem Munde
Zeigt sie auf ein Blütenbeet ...

II

Wie grün die sanft geneigten Hügel,
Wie rosenrot die Gärten stehn! -
Hier braucht die Sehnsucht keine Flügel,
Um in ein sel'ges Land zu sehn.

Viel Blüten löst von Busch und Bäumen
Des Mittags stillbewegte Ruh
Und treibt sie mir mit ros'gen Träumen
Als duftende Verheißung zu.

Mein Herz auch will sich neu entfalten, -
Die Hand der Zukunft drück' ich fest.
Sie soll mir alles treulich halten,
Was sie mir heut versprechen läßt!

Georg Busse-Palma (1876-1915)




Donnerstag, 30. März 2017

erster Urenkel






erster Urenkel
das ganze Universum
in Großmutters Arm





(first great-grandchild / the whole universe / in grandma's arm)

Christof Blumentrath




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Foto: © Helga / pixelio.de




Mittwoch, 29. März 2017

zum himmel gereckt





zum himmel gereckt
wie flamingoschnäbel
magnolienknospen





(stretched to the sky / like the beaks of flamingos / magnolia buds)

René Possél




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Die Knospen schwellen

Verhüllt und verschleiert der Berge Pracht,
kein Licht auf der schweren Zypressen Nacht,
nur die Knospen an starrenden Zweigen
stehen verhüllt und schweigen.

Sie schweigen von blauender Lenzeszeit,
sie wachsen hinein in die Seligkeit,
die Knospen schwellen und schweigen!

Kommt endlich die Nacht, da in Liebesarm
am Berghang ich lehne, so selig-warm,
unter goldnen Orangenzweigen?
Und die Blüten schlagen die Augen auf -
und es schauert ein leuchtender Lenz herauf?

Die Knospen schwellen und schweigen!

Hermione von Preuschen (1854-1918)




Dienstag, 28. März 2017

Erste Frühlingsblüte






Erste Frühlingsblüte
eine falsche Banknote
im Supermarkt




(First spring blossom / a false banknote / in the supermarket)

Chris David




(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Chris David




Montag, 27. März 2017

the March air





the March air
tendrils escaping
from a broken pot




(die Märzluft / Ranken entkommen / einem gebrochenen Topf)
 
Gabriel Rosenstock (Ireland)
 
 
 
 
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Foto: © Eckehardt Sona / pixelio.de 
 
 
 
 


Sonntag, 26. März 2017

Sudden heavy rain





Sudden heavy rain
splashing on the interstate--
Appalachian
Spring*




(Wie es plötzlich gießt / und spritzt auf der Autobahn - / Apalachenfrühling)

Horst Ludwig




*(Erstveröffentlichung: ASAHI HAIKUIST NETWORK, Juni 2016)
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Die Quelle


Gebirgen, deren Scheitel
Stolz in die Wolken raget,
Entsprudelnd, und von Felsen
Auf Felsen niederstürzend
In's Bergthal; oder schüchtern
Der Erde stillem Schooße
Entsteigend, und geräuschlos
Und unbemerkt durch Kieseln
Euch mühesam hinwindend,
Um unweit eurer Wiege
Im durst'gen Sande, oder
In eines Sees Gesümpfe
Schnell wieder zu verschwinden,
O Quellen, meine Wonne!
Oft neidenswerther seid ihr
Als manche große Ströme.
Es prägte jene Quelle
Der Oasis, die warm ist
Bei Nacht und kalt am Tage
Trotz Sonne und der Wüste
Gluthheißem Sande, welcher
Sie rings umgibt, noch tiefer
Sich mir in das Gedächtniß
Als alle staunenswerthen
Erscheinungen des Niles.
Und welcher Strom vermag sich
An Ruhm mit dir zu messen,
Vauklusens von Petrarka
Besungne, von Petrarka
Verewigete Quelle?
Es werden tausend Jahre
Und wieder tausend Jahre
Verfließen, und dein Name
Wird immer im Gedächtniß
Der Sterblichen noch leben.
Unsterblich ist, was, Dichtkunst,
Dein Zauberodem einmal,
Wenn auch nur leis', berühret!

Elisabeth Kulmann (1808-1825)
 
 
 
 

Samstag, 25. März 2017

Windstille






Windstille -
die kleine Mulde im Stein
blüht





(still air - / the small depression in the stone / blooms)

Ilse Jacobson



(Erstveröffentlichung: Haiku heute, Augabe Juni 2011)
(Übersetzung: Silvia Kempen)
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Windstille

Windstill ist es auf der Flut,
Windstill ist's im Hage,
Windstill ist es mir zu Mut'
Wie dem Frühlingstage.

Eine leise, leise Luft
Fächelt und erfrischet
Jede Blume, deren Duft
Sich in andre mischet.

Und in meinem Busen auch,
Wo der Sturm sich leget,
Fühl' ich einen Himmelshauch,
Der mich sanft beweget.

Meinen Odem möcht' ich rein
Dem der Blumen mischen,
Und wie sie so trunken sein
Von des Taues Frischen.

Friedrich Rückert (1788-1866)
Aus der Sammlung Fünfte Reihe. Sommer




Freitag, 24. März 2017

chiru hana





chiru hana no moto ni medetaki dokuro kana


Enomoto Seifu-Jo (1731 - 1814)






(lying below / the falling blossoms / a lucky skull)
(liegend unter / fallenden Blüten / ein glücklicher Schädel)




(Englisch: Robin D. Gill)
(Deutsch: Silvia Kempen)
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Foto: © Thomas Max Müller / pixelio.de
 
 
 
 

Donnerstag, 23. März 2017

Nonnenkloster





Nonnenkloster 
sie und der Gekreuzigte 
allein in der Zelle




(nunnery / she and the cruzified man / alone in the cell)

Pitt Büerken




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Foto: © Hartmut910 / pixelio.de




Mittwoch, 22. März 2017

thaw





thaw 
the old monk 
yawns*




(Tauwetter / der alte Mönch / gähnt)
 
Ramona Linke
 
 
 
 
*(Erstveröffentlichung: The Mainichi März 2016)
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Der Mönch

Am Bogenfenster sitzt ein Mann,
Die Hände in den Schoß.
Ein Menschenbild, dems Blut gerann
Scheint er - bewegungslos,
Soeben ist das Abendbrot
Verglommen,
Verschwommen,
Der Mönch sitzt da wie tot.

Von außen tot, im Immern Sturm,
Gedenkt er früh´rer Zeit.
Nicht immer lebt´er wie ein Wurm,
Er kannte Freud´und Leid.
Doch lang schon ist dies Erdenglück
Verglommen,
Verschwommen,
Wie´s Land vor seinem Blick.

Carl Schultes (1822-1904)